Die klassische Rollenverteilung - der Mann bringt das Geld nach Hause, die Frau kümmert sich um Familie und das häusliche Umfeld. Ist dies wirklich ein überholtes Modell in der heutigen Zeit?
Schauen wir uns im Umfeld um, lässt sich immer noch feststellen, dass Frauen die Führungsrolle in der Betreuung der Familie und dem Erledigen von hauswirtschaftlichen Tätigkeiten haben. Zeitgleich hat sich die Zahl der weiblichen Berufstätigen in Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich verändert:
Deutschland hat im Vergleich zu den anderen Ländern der EU die dritthöchste Erwerbstätigenquote der Frauen. 2017 gingen hierzulande 18,4 Millionen Frauen im Alter von 20 bis 64 Jahren einer Arbeit nach. Die Erwerbstätigenquote der Frauen in Deutschland ist in den letzten zehn Jahren deutlich gestiegen. 2007 lag sie noch bei 66,7 %. Die stärkste Zunahme wiesen dabei die älteren Frauen auf. Die Erwerbstätigenquote der 60- bis 64-Jährigen erhöhte sich von 24,9 % im Jahr 2007 auf 53,3 % im Jahr 2017. Trotz des starken Anstiegs sind Frauen aber weiterhin deutlich seltener erwerbstätig als Männer. In Deutschland lag die Erwerbstätigenquote der Männer von 20 bis 64 Jahren 2017 bei 83,1 % (Quelle: www.destatis.de).
Gender Care Gap - ein unbequemes Thema
Kindererziehung, Pflege von Angehörigen, Hausarbeit, Ehrenamt: Frauen wenden pro Tag im Durchschnitt 44,3 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit auf als Männer. Dieser Unterschied wird als Gender Care Gap bezeichnet (Quelle: www.bmfsfj.de).
Soweit die Fakten - was sind die Konsequenzen?
Wirtschaftliche Nachteile sind die Konsequenz. Der Gender Care Gap zeigt: Frauen arbeiten mehr als Männer, wenn die bezahlte und unbezahlte Arbeit zusammen betrachtet wird. Dabei bringen sie deutlich mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit wie Kinderbetreuung, Pflege oder Haushalt auf - Zeit, die ihnen für Erwerbsarbeit fehlt.
Für Frauen ergeben sich dadurch wirtschaftliche Nachteile in Bezug auf ihre Entlohnung, ihre beruflichen Chancen, ihre ökonomische Eigenständigkeit und letztlich auch auf ihre Alterssicherung. Im Umkehrschluss heißt dies: wenn die unbezahlte Sorgearbeit gerechter zwischen Frauen und Männern verteilt wird, können Frauen - genauso wie Männer - wirtschaftlich eher auf eigenen Beinen stehen, auch bei veränderten Lebensumständen wie Trennung oder Scheidung (Quelle: www.bmfsfj.de).
Ist Altersarmut bei Frauen ein ernstzunehmendes Problem?
Ja, das ist es! Wer sich in seinem Bekannten- oder Arbeitskreis umschaut, der hat sicherlich schon beobachten können, dass Frauen, die sich klassischerweise auf die Betreuung von Familie und Heim konzentriert haben, im Falle einer Trennung in der zweiten Lebenshälfte vor einer finanziellen Herausforderung stehen.
Leben wir doch noch in der Steinzeit?
Gesellschaftliche Rahmenbedingungen beeinflussen ungleiche Aufteilung der Care-Arbeit:
Wie innerhalb einer Familie die Sorgearbeit verteilt wird, ist auf den ersten Blick eine private Entscheidung. Beeinflusst wird sie jedoch von den Rahmenbedingungen, die Gesetze, Unternehmen und Infrastruktur vorgeben. Hinzu kommen gesellschaftliche Wertvorstellungen.
Studien zeigen, dass Paare vor der Geburt eines Kindes die Haus- und Erwerbsarbeit relativ partnerschaftlich umsetzen. Die nach wie vor weit verbreitete traditionelle Verteilung von Erwerbs- und unbezahlter Sorgearbeit – Mütter reduzieren ihre Arbeitszeit, während Väter meist weiter in Vollzeit arbeiten und somit das Familieneinkommen sichern - entsteht meist erst im Laufe der Zeit. Als Knotenpunkte im Lebenslauf macht die Forschung dabei die Gründung einer Familie, den Wiedereinstieg in den Beruf und die Pflege von Angehörigen aus. Einmal gestellte Weichen lassen sich dabei in der Regel nur schwer wieder rückgängig machen.
Die Reduzierung des Gender Care Gap ist eine Langzeitaufgabe. Entscheidend ist, dass die Rahmenbedingungen eine partnerschaftliche Verteilung der unbezahlten Sorgearbeit für Frauen und Männer gleichermaßen attraktiv machen (Quelle: www.perspektiven-schaffen.de).
Ist Gleichstellung also ein utopisches Ziel?
Vermutlich gibt es hierauf keine eindeutige Antwort. Der Umgang von Paaren und deren Familien, Arbeitgebern und Gesellschaft sind entscheidend. Nur diese können Änderung bringen. Die derzeit jungen Erwachsenen haben bereits ein anderes Verständnis für Gleichstellung. Aber wird sich dies langfristig halten lassen, in einer Gesellschaft, die zunehmend altert, und in der die Betreuungsplätze von Kindern nicht ausreichend vorhanden sind?
Gibt es immer EINE(N) der/die den Kürzeren zieht?
Im Ruhrgebiet sagt man: Der Letzte muss die Zeche zahlen.Im Sinne des Erhaltes von Gesellschaft, Wirtschaft und Ethik bleibt zu wünschen, dass eine Verteilung von Care Arbeit gemeinschaftlich “gestemmt” werden kann, sodass sich das klassische Rollenbild in den nächsten Jahren weiter modifiziert.
Bild: Sandy Millar auf Unsplash